Geparden streicheln und mit einem jungen Panther spielen: Volontariat bei Cheetah Experience Montag, Jan 23 2017 

Ich renne. Es ist heiss, ich schwitze. Ich werfe einen Blick zurück. Der Gepard trabt locker hinter mir her. Wäre ich doch nur schneller! Geparden können über kurze Strecken bis zu 120 Stundenkilometer erreichen, und so komme ich mir vor wie David gegen Goliath. Ich renne im Zickzack, schleife die leere PET-Flasche, die an einem Seil befestigt ist, schlenkernd hinter mir her. Will der Gepard sie ergreifen, ziehe ich sie rasch nach vorne.
Nach 2 Minuten bin ich k.o. Ich stoppe, drehe mich im Kreis und lasse die PET-Flasche um mich rotieren. Sofern hängt sich der Gepard daran. Er legt sich in die Kurve und kommt der Flasche immer näher. Endlich lasse ich sie los, sie fliegt in weitem Bogen ins Gras, der Gepard rennt hinterher, packt seine Beute mit seinem kräftigen Gebiss und trägt sie zufrieden davon.

Ich befinde mich in Südafrika, in Bloemfontein auf der Wildtierfarm Cheetah Experience. Für zwei Wochen arbeite ich hier als Volontärin. Obwohl der Name nur auf Geparden verweist, leben verschiedene Tiere auf der Farm, z.B. die beiden neugierigen Erdmännchen, die verletzt aufgefunden und hierher gebracht wurden. Bevor ich zum ersten Mal in ihr Gehege darf, muss ich den Mund öffnen und sie meine Mundhöhle erschnuppern lassen. Mir ist ein bisschen mulmig zu Mute, die kleinen Kerlchen haben scharfe Zähne. Was, wenn mir einer in die Zunge beisst? Zum Glück geht alles gut und ich habe somit das Kennenlern-Ritual bestanden. Setze ich mich zu ihnen ins Gehege, geht es nicht lange, und ich werde als Aussichtsturm missbraucht. Die Erdmännchen wollen alles genauestens beobachten, wozu sie sich auf die Hinterbeine stellen, um besser sehen zu können oder irgendwo hinauf klettern. Sie machen lustige Geräusche und rennen fast ununterbrochen herum; sie sind die aktivsten Tiere auf der Farm.
Die Katzen dagegen schlafen oder dösen fast den ganzen Tag. Wenn ich neben meiner Arbeit Zeit habe, was oft der Fall ist, gehe ich gerne zu den Karakalen, sitze mit ihnen im Schatten eines Baumes und kraule sie. Sie honorieren meine Zärtlichkeit mit lautem Schnurren. Die Karakale, die keine Fellmusterung aufweisen, dafür ein schönes Gesichtchen haben und Ohren mit Fellbüscheln an den Spitzen, was ihnen den Übernamen „Wüstenluchs“ eingebracht hat, werden exzessiv von Bauern bejagt, da sie viel mehr Schafe und Ziegen töten als sie zum Überleben benötigen.
Auch die Servale, die nicht nur Punkte, sondern auch Streifen auf ihrem Pelz tragen, können schnurren. Anders als andere Katzen lieben sie Wasser. Füllt man ihr Wasserbecken, spielen sie mit dem Strahl aus dem Schlauch und tapsen in den durch ein Leck im Schlauch entstandenen Pfützen herum. Obwohl ich sie mit ihren grossen, schwarzen Nasen und den langen Ohren nicht ganz so hübsch finde wie andere Wildkatzen, hätte ich gerne eine der exotischen Savannah-Katzen als Haustier, die durch die Kreuzung von Servalen mit Hauskatzen entstanden ist.

Zu den täglichen Arbeiten gehören das Füttern der Tiere (hauptsächlich wird Poulet verfüttert), das Reinigen der Käfige und des Geländes und das Wässern der Pflanzen. Zudem muss man in der ersten Woche Informationen zu den einzelnen Tierarten auswendig lernen, damit man in der zweiten Woche als Guide eine Gruppe Touristen übernehmen kann. Täglich werden zwei Führungen angeboten, bei denen die Tiere vorgestellt werden und man Fotos machen kann. Zu den zahmen Tieren dürfen die Gäste sogar in die Gehege.
Im Moment hat es je zwei Baby-Geparden und –Servale, die von ihren Müttern verstossen wurden, auf der Farm, wodurch sich der begehrteste Job ergibt: Babysitting. Damit die Kleinen sich zum einen nicht verletzen, sich zum anderen an Menschen gewöhnen, leisten wir ihnen oft Gesellschaft. Die Geparden sind ungefähr einen Monat alt und knicken beim Gehen oft ein. Sie sehen aus wie kleine Teddy-Bären mit ihren knuffigen, kugelrunden Köpfchen. Die Servale sind etwas älter, sie können schon gut springen, was sie dadurch beweisen, dass sie mir, wenn ich mich auf den Boden setze, auf den Rücken springen.

Wir sind ungefähr 12 Volontäre aus der ganzen Welt, hauptsächlich Frauen zwischen 20 und 30. Manche bleiben einige Monate, manche – wie ich – nur die Mindestdauer von zwei Wochen. Verständigungssprache ist Englisch. Übernachtet wird in Mehrbettzimmern in einem grossen Haus, das zum Projekt gehört. Zweimal kommt es zu Aufregung: einmal, als eine Volontärin im Schlaf von einem Skorpion gestochen wird, einmal, als grosse Spinnen in diversen Zimmern gefunden werden. Manchmal hören wir in der Nacht das Brüllen der Löwen von der 800m entfernten Farm, das wir selbst dann noch wahrnehmen könnten, wenn wir uns mehrere Kilometer entfernt befänden.
Zu den Löwen dürfen wir leider nicht ins Gehege. Das dürfen nur eine Handvoll Personen, welche sie aufgezogen haben. Kommen die Tiere an den Zaun, streichle ich sie jedoch durch die Maschen hindurch. Besonders beeindruckend finde ich einen sogenannt „leuzistischen“, also weissen Löwen mit einer prächtigen Mähne. Weisse Löwen sind keine Albinos, haben daher keine roten, sondern hellblaue Augen. Die ungewöhnliche Fellfarbe entsteht durch Vererben eines rezessiven Gens. Das passiert selten und so gelten diese Tiere bei den Ureinwohnern Afrikas als göttlich.

Das Gehege der Leoparden ist ebenfalls Sperrzone für uns Volontäre. Leider! Oft hänge ich am Gitter und starre sehnsüchtig hinein, gehören doch Leoparden neben Tigern und Jaguaren zu meinen liebsten Katzenarten.
Die eine Leopardin wirft zwei Junge während meines Aufenthalts, die sie nach wenigen Tagen verstösst. „Warum tut sie das?“ frage ich eine der Angestellten von Cheetah Experience. Die Antwort erstaunt mich: „Die Leopardin ist unerfahren, sie ist noch jung und es ist ihr erstes Baby. Sie weiss nicht, was sie mit ihm anfangen soll.“ Das Verstossen geschieht also nicht böswillig, sondern einfach, weil die Mutter noch nicht bereit ist für ihre neue Rolle.

Mein Liebling ist Pardus, ein junger schwarzer Panther, zu dessen Käfig wir Zutritt haben, weil er noch nicht ausgewachsen ist. Ein schwarzer Panther ist nicht eine eigenständige Art, sondern ein durch sogenannten Melanismus schwarz statt beige gefärbter Leopard oder Jaguar. Die Flecken auf dem Fell sind je nach Lichteinfall gut zu erkennen.
Pardus ist sehr übermütig und verspielt. Lasse ich meine Kamerahülle im Käfig liegen, schnappt sie sich Pardus innert Sekunden. Da hilft es auch nichts, wenn ich sie zuoberst auf einem Balken verstecken will. Pardus liebt seine Schaukel aus einem alten Pneu, er kann Stunden damit verbringen, sich darin zusammenzurollen und nach seinem Schwanz zu angeln. Wenn Touristen zu ihm kommen, springt er manchmal auf ihre Rücken, das ist je nachdem nicht ganz harmlos.

Zur Farm gehören auch zwei kanadische Wölfe. Ein Mitglied des Teams erklärt mir, dass sie nach Südafrika importiert wurden, um sie mit Schäferhunden zu kreuzen, mit dem Ziel, bessere Polizeihunde zu züchten. Das Experiment misslang jedoch, wodurch man eine Bleibe für die Wölfe finden musste.
Shakira ist die Alpha-Wölfin. Ist man neu bei Cheetah Experience, muss man zuerst von ihr akzeptiert werden, bevor man sich der andere Hälfte des Rudels, Nikita, nähern darf. Auch muss man darauf achten, immer zuerst Shakira zu begrüssen, da diese sonst ihre Schwester beisst. Weil es in Südafrika viel heisser ist als in der kanadischen Heimat der beiden, haben sie einen vier Meter langen Tunnel gebuddelt, der in eine ca. 1,5m hohe Höhle mündet. Dorthin verkriechen sie sich, wenn sie es draussen nicht mehr aushalten.

An einem freien Tag gehe ich mit Miriam, eine anderen Volontärin, in eine riesige Shopping-Mall. Das Warenangebot unterscheidet sich kaum von dem eines schweizerischen Einkaufcenters, aber die Kundinnen fallen mir auf: sie tragen neben wahren Kunstwerken von Flechtfrisuren oft gegensätzliche Farben zusammen, etwa Rot und Grün oder Orange und Pink. Das sieht sehr gut aus und ich wünsche mir wieder einmal, dass die Schweizer und Schweizerinnen modisch experimentierfreudiger und aufgeschlossener gegenüber Farben wären.
Einmal dürfen wir an einem Game-Drive teilnehmen. Im offenen Jeep fahren wir durch ein nahe gelegenes Reservat und sehen verschiedenen Antilopen, Giraffen, Nashörner, Warzenschweine und Strausse.
Als Abwechslung zum üblichen Poulet, wird einige Tage später ein toter Strauss geliefert. Ich sage den Arbeitern, die ihn zerlegen werden, dass sie ein paar schöne Federn für mich auf die Seite legen sollen. So komme ich in den Besitz von flauschigen, schwarzen und weiss-gelblichen Federn, die ich im Lavabo mehrmals wasche, wofür ich von meinen Zimmergenossinnen böse Blicke ernte.

Der Zweck von Cheetah Experience ist es einerseits, gefährdete Wildkatzen zu züchten, zu erhalten und sie der Menschheit näher zu bringen, damit diese herrlichen Tiere besser verstanden werden. Durch das Verstehen und den unmittelbaren Kontakt soll eine Verbindung aufgebaut werden, die verhindern soll, dass die Tiere gejagt und ihre Lebensräume weiter verringert werden. Andererseits will die Organisation eine sogenannte „protected wild“ aufbauen, d.h. eine Art Nationalpark oder riesiges Gehege, in dem die Tiere frei leben können, jedoch unter der Kontrolle und dem Schutz von Menschen. Neben diesen beiden Hauptzielen gibt Cheetah Experience verletzten Tieren ein temporäres oder permanentes Zuhause.

Riana van Nieuwenhuizen, die 22 Jahre bei der Justizbehörde gearbeitet hat, bevor sie ihrem Lebenstraum gefolgt ist und Cheetah Experience gegründet hat – vorerst mit einem einzigen Geparden – verrät mir, dass sie gerne einen Königsgepard hätte. Bisher habe ich noch nie etwas von diesem Tier gehört. Es ist eine seltene Mutation eines normalen Gepards, bei dem die Tupfen zu Streifen und längeren Flecken verschmolzen sind. Auf meiner anschliessenden dreiwöchigen Afrikareise werde ich Gelegenheit bekommen, diesem wahnsinnig schönen und majestätischen Geschöpf zu begegnen, allerdings nicht in freier Wildbahn, sondern ebenfalls auf einer Farm.

Obschon die Königsgeparden exklusiver sind, sind auch die normalen Geparden schöne und faszinierende Tiere. Und obwohl sie gerne mit Leoparden und Jaguaren verwechselt werden, kann man sie ganz einfach an ihrem zierlicheren Körperbau und den Tupfen (anstelle von Rosetten) unterscheiden. Auch der schwarze Streifen, der von den Augen zum Mund führt, ist ihnen eigen. Dieser wird Tränenstreifen genannt und hat eine ähnliche Funktion wie eine Sonnenbrille: er absorbiert das Sonnenlicht und sorgt dafür, dass die tagaktiven Tiere auf der Jagd nicht geblendet werden.
Die Unterscheidung von Leopard und Jaguar ist da schon schwieriger, da sie einen ähnlichen Körperbau haben und sich auch sonst sehr gleichen. Die Jaguare tragen jedoch schwarze Punkte in einigen ihrer Rosetten, die grösser sind als bei den Leoparden.

„Komm, Luke, wir führen die Geparden Gassi!“, rufe ich einem der Volontäre zu. Kurz darauf nehmen wir die beiden Teenager-Geparden an die Leine und gehen mit ihnen über die Wiesen, welche die Farm umschliessen, spazieren. Oder sollte ich besser sagen: sie gehen mit uns spazieren? Will ein Gepard in eine andere Richtung als man selbst, hat man kaum eine Chance, seinen Willen durchzusetzen. Die Katzen sind eben nicht nur wunderschön, sondern auch stark und eigensinnig. Wie unsere Hauskatzen. Nur in Grossformat.

Infobox
Lage: Cheetah Experience liegt in Bloemfontein in Südafrika, 371km südlich von St. Johannesburg und in der Nähe des kleinen Enklaven-Staates Lesotho.
Volontariat: Das Volontariat kann an jedem Dienstag begonnen werden, Mindestdauer sind zwei Wochen, Mindestalter 18 Jahre. Englischkenntnisse sollten vorhanden sein. Jeder Arbeitstag startet um 7 oder 8 Uhr und endet spätestens um 18 Uhr, mit 1-2 Stunden Mittagspause. Kosten: 2 Wochen kosten Fr. 700.-, darin inklusive sind Frühstück, Mittagessen, Übernachtungen, Transfer vom und zum Flughafen von Bloemfontein und ein T-Shirt. Je länger man bleibt, desto günstiger werden die Kosten pro Woche. Tiere: Der Tierbestand auf der Farm ist nicht konstant. Zur Zeit hat es: Löwen, Leoparden, Geparden, Tiger, Wölfe, Wildkatzen, Karakale, Servale sowie diverse gerettete Tiere und ein Hund. Website: http://www.cheetahexperience.com/
Kritische Anmerkung: Manche Farmen, welche Volontariatsplätze anbieten, gehen nicht artgerecht mit den Tieren um oder verkaufen Tiere an sogenannte „Canned Hunting Farmen“, wo zahme Wildkatzen von Jagdtouristen geschossen werden können. Sorgfältiges Informieren gehört vor jedem Volontariat dazu. Ich würde heute nicht mehr in einem Projekt arbeiten wollen, welches Tiere züchtet. Dort liegt der Verdacht nahe, dass die Jungtiere entweder der Mutter weggenommen werden, um das Babysitting für Volontäre zu ermöglichen und/oder dass Tiere an die Canned Hunting Industrie verkauft werden und/oder dass sie an Leute weitergereicht werden, welche die Tiere töten und die Bestandteile als Medizin nach China verkaufen.

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